Vorerbe / Vorerbschaft

In einer letztwilligen Verfügung (Testament, gemeinschaftliches Testament oder zwingend notariell zu beurkundender Erbvertrag) kann Vor- und Nacherbschaft angeordnet werden. In diesem Fall wird zunächst der Vorerbe und nach ihm – bei Eintritt bestimmter vom Erblasser geregelter Umstände (meist und im Zweifel nach dem Tod des Vorerben) – der Nacherbe Erbe des Erblassers.

Da der Vorerbe vollwertiger Erbe ist, kann er über die zur Erbschaft gehörenden Nachlassgegenstände verfügen. Hat der Erblasser angeordnet, dass eine Person (Nacherbe) erst Erbe wird, nachdem zunächst ein anderer Erbe (der Vorerbe) Erbe geworden ist (Vorerbschaft und Nacherbschaft), treffend den Vorerben dabei jedoch folgende Beschränkungen und Pflichten:

  • Ersetzung auf Grund eines zur Erbschaft gehörenden Rechts (§ 2111 Abs. 1 S. 1 Fall 1 BGB).
  • Ersetzung des für die Zerstörung, Beschädigung oder Entziehung eines Erbschaftsgegenstands Erworbenen (§ 2111 Abs. 1 S. 1 Fall 2 BGB, Ersatzerwerb).
  • Ersetzung von Mitteln des Nachlasses durch erworbene Gegenstände (§ 2111 Abs. 1 S. 1 Fall 3 BGB, Mittelsurrogation);
  • Verbot, über Grundstücke oder Rechte an diesen Grundstücken oder Schiffe und Schiffsbauwerke zu verfügen (§ 2113 Abs. 1 BGB);
  • Verbot unentgeltlich über das Vorerbe zu verfügen (§ 2113 Abs. 2 BGB);
  • Beschränkung der Zwangsvollstreckung nach § 2115 BGB;
  • Verbot über Hypothekenforderungen, Grundschulden und Rentenschulden zu verfügen (§ 2114 BGB);
  • Verpflichtung zur Hinterlegung (§ 2116 BGB) bzw. Umschreibung (§ 2117 BGB) von Wertpapieren, Eintragung eines Sperrvermerks (§ 2118 BGB) und der Anlegung von Geld (§ 2119 BGB);
  • Verpflichtung zur Erstellung eines Nachlassverzeichnisses auf Verlangen (§ 2121 BGB)
  • Recht der Zustandsfeststellung durch den Nacherben (§ 2122 BGB);
  • Verpflichtung zur Aufstellung eines Wirtschaftsplans bei Wald und der Gewinnung von Bodenschätzen (§ 2123 BGB);
  • Verpflichtung, dem/n Nacherben Auskunft über den Bestand der Erbschaft zu geben (§ 2127 BGB);
  • Verpflichtung, den/dem Nacherben Sicherheit zu leisten (§ 2128 BGB);
  • Verpflichtung zur ordnungsgemäßen Verwaltung und zur Rechnungslegung nach Eintritt des Nacherbfalls (§ 2130 BGB) unter Beachtung des Haftungsmaßstabes des § 2131 BGB;
  • Verpflichtung zum Wertersatz für Raub- und Übermaßfrüchte (§ 2133 BGB);
  • Verpflichtung zur Leistung von Wertersatz bei eigennützigen Verwendungen (§ 2134 BGB);
  • Verpflichtung zum Schadenersatz unter den Voraussetzungen des § 2138 Abs. 2 BGB.

Der Erblasser kann den Vorerben von den Beschränkungen und Verpflichtungen des § 2113 Abs. 1 und der §§ 2114, 2116 bis 2119, 2123, 2127 bis 2131, 2133, 2134 befreien. Bei einer umfassenden Befreiung wird er als „befreiter“ Vorerbe bezeichnet.

Mit dem Eintritt der Nacherbfolge endet die Stellung des Vorerben als Erbe; Erbe ist dann nur noch der Nacherbe. Die Früchte des Nachlasses (z.B. Mieterträge, Zinsen, Dividenden etc.) stehen bis zum Zeitpunkt des Nacherbfalles dem Vorerben und ab dem Zeitpunkt des Nacherbfalles dem Nacherben zu.

Einen Pflichtteilsanspruch gegen den Vorerben hat der Nacherbe nur, wenn er die Erbschaft ausschlägt (Erbausschlagung) und den Pflichtteil verlangt.

Die Einsetzung eines Nacherben wird mit dem Ablauf von 30 Jahren nach dem Erbfall grundsätzlich unwirksam, wenn die Nacherbfolge bis dahin nicht eingetragen ist. Es entfallen dann naturgemäß auch die Beschränkungen des Vorerben (siehe oben). Etwas anderes gilt jedoch, wenn die Nacherbfolge für den Fall des Versterbens einer bestimmten Person angeordnet wird, was in den meisten Fällen der Fall ist.



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